Pandemie und Schulpflicht

Eine der größten Errungenschaften der Moderne ist die allgemeine Schulpflicht. Damit diese jedes Kind erreicht, gibt es die Verpflichtung des Staates, Schulunterricht zu betreiben und jedem zu erteilen. Wie der Staat die innere und äußere Sicherheit seines Territoriums garantieren soll, muss er auch die Grundbildung seiner Bürger gewährleisten.


Mindestens diese drei Leistungen (innere und äußere Sicherheit, Schulbildung) rechtfertigen überhaupt erst die Existenz des modernen Rechtsstaates. Andere staatliche Leistungen wie das Bemühen um Wohlstand, den Betrieb eines allgemeinen Gesundheitssystems oder der Schutz der Natur mögen als Aufgaben hinzukommen, aber das Angebot schulischer Bildung hat höhere Priorität.


Kann irgendetwas den Staat davon entbinden, allen Kindern mindestens Rechnen, Schreiben und Lesen beizubringen, um sie so auf ihre Berufsleben vorzubereiten? Seit „Corona“ stellen manche die Frage: „Was hat Priorität - die Gesundheit oder die Grundbildung der Bürger?“


Diese Alternative darf aber nicht sein. Beides nämlich - Gesundheit und Bildung - gehören sichergestellt. Wenn Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie ergriffen werden müssen, so darf den Kindern deswegen die Schule jedoch nicht verwehrt werden. 


Viele wollen den Zielkonflikt lösen, indem sie „Homeschooling“ favorisieren. Diese aber funktioniert bekanntlich nicht überall. Viele beherrschen das nicht oder sind nicht richtig ausgestattet. Daher ist diese Maßnahme am Ende ungeeignet, die allgemeine Schulpflicht durchzusetzen. Andere Maßnahmen sind nötig.


Nicht ohne Grund wurden Lehrer ursprünglich verbeamtet. Beamte sind dem Dienstherrn – dem Staat in Gestalt der Schule – zur Treue verpflichtet, dürfen nicht streiken und sollen beim Dienst nicht immer gleich an ihre Karriere denken. Irgendwann wurde es dann dennoch „modern“, Lehrer nicht zu verbeamten, sondern anzustellen. Eine weit verbreitete „Reform“-euphorie hatte dies als richtig  bewertet, und das Land Berlin tat sich in der Praxis hierin besonders hervor.


Mittlerweile weiß man, dass es gut wäre, wenn alle Lehrer den Beamtenstatus behalten hätten. Schule in „Corona“-Zeiten könnte dann so organisiert werden, dass Lehrer acht Stunden am Tag arbeiten – etwa von 8 bis elf 11 h sowie von 11:30 bis 14:30 h in den Schulen. Für die Lehrer blieben genug Zeit für Vor- und Nachbereitungen und den Feierabend.


Die Schulklassen indes müssten geteilt werden und abwechselnd in Schichtunterricht kommen. Das hat in Deutschland schon einmal funktioniert.
Entsprechende Kita-Angebote – etwa in der Zeit von 8 bis 15:30 h als Kernzeit – könnten das abfedern.


Wären alle Lehrer Beamte, könnte man diese Maßnahme nach den Sommerferien ergreifen. Also wäre es klug, angestellte Lehrer unverzüglich zu verbeamten und das Schichtmodell einzuführen, damit die Schulpflicht erhalten bleiben kann. Verbinden könnte man damit eine Erhöhung der Lehrergehälter auf die Besoldungsgruppe „A13“ als Eingang.


Ein wichtiges Kulturgut der modernen Gesellschaft kann so bestehen. Es ist schon schlimm genug, dass die Jungen von heute die finanziellen und ökonomischen Folgen der derzeitigen Pandemie werden tragen müssen. Die Schulbildung aber darf man ihnen nicht verwehren. 


Schule und Gesundheit sind keine Gegensätze. Beides sicher zu stellen, bedarf zweckmäßiger Organisation durch den Staat.
Juni 2020

Ist Fliegen noch zeitgemäß?

Wer mit dem Flieger nach Rom oder gar Tokio reisen will, muß einiges auf sich nehmen:
Der Flug muß rechtzeitig gebucht werden.
Den „Ticket“ genannten Fahrschein muß man selber ausdrucken
Man hat sich zwei Stunden vor Abflug am Flugschalter einzufinden.
Für das Gewicht des Gepäcks gibt es Obergrenzen.
Handgepäck wird durchwühlt.
Bevor man den Abflugraum betreten darf, muß man sich abtasten und manchmal sogar durchleuchten lassen.
Im Flugzeug quetscht man sich auf einen nummerierten, dafür engen Platz.
Hustet und prustet ein Nachbar, muß man das ertragen.
Gegessen wird das, was auf den „Tisch“ kommt.
Für die Getränke- und Nahrungsaufnahme bedarf es akrobatischer Fähigkeiten.
Ist der Nachbar muffelig, so läßt sich das nicht ändern.
Aufs Klo darf man nur, wenn der Flieger hoch oben in der Luft ist und grüne Lämpchen leuchten.
Ist der Flieger überbucht, kommt man eben einfach nicht mit.
Der Flieger brummt, wenn er fliegt und verpestet dabei die Luft. Das tut nicht nur er, sondern viele, viele andere auch: Der Himmel summt. Hier oben gibt es „Straßen“, da unten Drehkreuze. Die stinken oft.

 

Wer oben ist, kann sich nicht sicher sein:
Mal steuert ein „Kapitän“ absichtlich in einen Felsen hinein.
Mal wird ein besetztes Flugzeug abgeschossen.
Mal fällt es von alleine hinunter.
Mal saust es über eine Landebahn hinweg.
Mal explodiert ein Flieger in der Luft.
Mal verschwindet es im Nirwana der Weltmeere.
Mal verdunkelt ein Vulkan mit unaussprechlichem Namen die Strecke.

 

Am Zielort – wenn dennoch alles gut gegangen ist - ergießen sich Massen von Passagieren auf Rolltreppen und Gassen überdimensionierter Flughäfen. Dort locken Läden aller Art und bieten an, was man eigentlich nicht braucht.


Dann machen die Passagiere Metamorphosen durch: Sie verwandeln sich zu Touristen. Sie werden in Busse („Bus 1 bis 12: Ihr Platz ist in Bus 9!“) gescheucht. Dort warten sie lange, bis alle da sind. Nun gehört man mit 24 weiteren –meist wildfremden - Menschen zur „Gruppe 9“ und startet ein „Besichtigungsprogramm. Es geht hinein in die Kirche und wieder heraus. Anschließend: „Hopp, hopp!“ – in die Burg und „Wieder raus!“


Im Hotel liegen die Zimmerschlüssel schon parat. Man blickt im Zimmer auf eine gegenüber liegende Wand oder von oben auf die An- und Abfahrtrampe. Abendessen gibt es um 18 Uhr an einem für „Gruppe 9“ reservierten Tisch – nicht vorher, nicht später. „Und morgen früh starten wir um 8 Uhr!“


Derweil versuchen Verantwortliche in einer europäischen Hauptstadt einen neuen Flughafen zu bauen und verplempern dabei Jahre und Millionen. Einen „alter“ – vielgelobter – wird geschlossen.


Nun stehen nationale Fluggesellschaften den Regierungen auf den Füßen und fordern Geld, viel Geld. Sie fordern Geld, wehren aber jeden Einfluß möglicher Geldgeber ab. Ihren Murks wollen sie lieber selber machen. Das bringt den Bossen Boni.


Sie wollen weiterhin die Luft verpesten, ihre Gäste schikanieren und das Recht behalten, Viren oder Bakterien aus allen Ecken der Welt herbei zu schaffen. Sie halten sich für „systemrelevant“.


Sollten wir ihnen weiterhin folgen: Immer tiefer ins Chaos hinein und immer weiter fort von der Menschenwürde.
Mai 2020

Wo bleibt die liberale Stimme?

Grundrechte?- Jahrzehntelang hatten Liberale und Verbündete dafür gekämpft: Die Versammlungsfreiheit, die Bewegungsfreiheit, die Religionsfreiheit und so vieles mehr: Es wurde erfochten gegen viele Widerstände. 


Alle Menschen haben die gleichen Rechte, hieß es nun. Und die demokratische Grundstruktur unseres Gemeinwesens schien fest verankert zu sein. Deutschland war ein Rechtstaat und pochte auf seine Werte. In Sachen „Demokratie“ schwang es sich sogar zum Lehrmeister für eine der ältesten Demokratien der Welt, die USA, auf. Dabei hatten gerade diese USA nach 1945 die Demokratie hierzulande überhaupt erst in Form gebracht.


Als Hochschullehrer berichtete ich Studenten, dass ein frei gewählter deutscher Reichstag die Nazis zur Diktatur ermächtigt hatte. Und „Liberale“ jener Zeit – die damaligen Gralshüter der Grundrechte – hatten mit „Ja“ votiert in der Hoffnung, die Diktatur milde zu stimmen. Sie wurden Opfer ihrer eigenen Schlauheit. Fassungslos hörten die Studenten davon, und Lehrer wie Schüler waren sich sicher: So etwas wird nie mehr passieren.


Das Grundgesetz wurde die „Heilige Schrift“ der Bundesrepublik Deutschland. Alle politischen Parteien waren ihm verpflichtet. Wollte eine Partei dagegen verstoßen, wurde es vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsfeindlich erklärt.
Eine Partei gerierte sich dabei vor allen anderen als Hüterin der Grundrechte, die FDP. Sie hatte versichert, aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt zu haben und verpflichtete sogar die freie Wirtschaft zum Ziel des Gemeinwohls.


„Nun ist alles sicher!“, dachte ich und bin nun seit über fünfzig Jahren Mitglied dieser Partei. Ich erwartete, der demokratische Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland könnte der Würde des Menschen angemessen diese schreckliche Pandemie, die auch auf ihn zukam, bekämpfen. Da müsste es doch tiefschürfende Debatten geben über die Frage, was zu tun sei. Und in diesen Debatten müsste es neben konservativen, sozialen und grünen Stimmen auch liberale Positionen geben zu dem Problem, wie man in einem Rechtsstaat dieser schrecklichen Bedrohung am besten begegnen könnte.


War denn alles „alternativlos?“ Wo war die kräftige liberale Stimme in der Not? Waren auch die modernen Liberalen überschlau? Kein Bedauern darüber war zu hören, dass die Bürger plötzlich ohne Grundrechte waren. Allmählich erst kommt eine Diskussion darüber auf, ob und wo es einen Ausstieg geben könnte.


Wir haben eine Parlamentsarmee. Gut so! Gerade, wo es um Leben und Tod geht, kann das letzte Wort nicht den Regierungen überlassen bleiben. Dennoch gibt es Personen, die wollen die Rechte der Parlamente in der Pandemie verringern. Doch Parlamentarismus ist gerade in der Krise wichtig. Warum tritt kein Liberaler öffentlich auf, der das betont? Warum ist von zeitlicher Begrenzung, von Befristung aktueller Maßnahmen wenig zu hören? Jedenfalls nicht von der liberalen Partei.


Ich selbst gehöre nun einer „Risikogruppe“ an. Nach über fünfzig Jahren hätte ich eigentlich erwartet, dass ich auch im Alter ein wirklich freier Demokrat sein könnte mit mutigen Unterstützern an meiner Seite. Und wenn wir dabei unterlegen sein würden: Ein „Hier stehe ich!“ hätte die bürgerliche Demokratie schon verdient!
April 2020

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© Jan Dittberner